Kulturschock

Kulturschock
Kul|tur|schock 〈m. 6(durch ein Übermaß an Eindrücken hervorgerufenes) Erschrecken vor einer fremden, andersartigen Kultur

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Kul|tur|schock, der (Soziol.):
(beim unmittelbaren Kontakt mit einer fremden Kultur) schreckhaftes Erleben der Andersartigkeit der durch die fremde Kultur erlebbaren Realität.

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Kulturschock,
 
zunächst in der (Sozial-)Psychologie, dann in den Erziehungswissenschaften, in der Fremdsprachendidaktik und im Bereich interkultureller Forschungen, heute auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeter Begriff, der auf der Ebene von Individuen die Erfahrung einer plötzlichen Konfrontation mit den Normen- und Wertsystemen sowie den Verhaltensmustern einer fremden (Teil-)Kultur bezeichnet; er dient des Weiteren dazu, bestimmte Formen der Verarbeitung dieser Konfrontation in den Blick zu nehmen. Der Begriff Kulturschock wurde in den 1960er-Jahren in die US-amerikanische Migrationsforschung eingeführt. Er trägt der Entwicklung Rechnung, dass sich mit der Ausweitung sozialer Mobilität und grenzüberschreitender Wanderungsbewegungen (Migration) auch die Erfahrung des Zusammentreffens kulturell unterschiedlich orientierter und sozialisierter Menschen und Gruppen quantitativ ausgeweitet und qualitativ vervielfältigt hat. Die Verbesserung der Verkehrsmittel und der Kommunikationsmedien, Fluchtbewegungen aufgrund von Katastrophen, politische Krisen, (Bürger-)Krieg und Terror sowie unterschiedliche Emigrations- und Immigrationsbestrebungen (Suche nach politischem Asyl, Arbeitsmigration) stellen die wichtigsten Hintergrundfaktoren für die Zunahme der Erfahrung des Kulturschocks dar. Die Reaktionsformen reichen vom Zusammenbruch (Selbstmord, Krankheit, Rückzug in Isolation) über Leistungsschwäche, Depression und Aggressionsverhalten, über Versuche einer produktiven Aneignung des Neuen bei gleichzeitigem Festhalten an den Mustern der alten Kultur bis hin zum versuchten »Sprung« in die neue kulturelle Identität mit den Folgen einer Überanpassung an diese oder auch mit verzögertem Aggressionsverhalten angesichts von Fehlschlägen oder Hindernissen. Als produktive Erfahrung kann Kulturschock nicht nur Anlass zu einer (selbst-)reflexiven Erkundung der eigenen Person, Gruppe und Kultur, sondern auch Anstoß und Thema wissenschaftlicher Forschung und künstlerische Gestaltung sein. Beispiele finden sich in der deutschen Literatur- und Kunstgeschichte etwa in den Werken der Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus in den 1940er-Jahren oder der Migranten seit den 1960er-Jahren, von Minderheitenkulturen (Literatur der »visible minorities« in den USA) und in Werken etwa der jüdisch-amerikanischen Literatur, der schwarzafrikanischen Literatur seit den 1960er-Jahren. Inzwischen wird das Phänomen Kulturschock auch innerhalb gesellschaftlicher und politischer Gebilde, etwa zwischen Regionen, sozialen Schichten, Lebensräumen (Stadt - Land) und Generationen, zwischen Mehrheitsbevölkerungen und Einwanderungsminoritäten sowie zwischen den Letztgenannten wahrgenommen. Auch Schwierigkeiten im Verhältnis von Ost- und Westdeutschen nach der deutschen Vereinigung von 1990 sind als Kulturschock gedeutet worden.
 
 
Culture shock, hg. v. P. K. Bock (New York 1970);
 S. Grosskopf: K. u. Fremdverhaltensunterricht (1982);
 G. Auernheimer: Der sogenannte Kulturkonflikt. Orientierungsprobleme ausländ. Jugendlicher (1988);
 P. A. Menzel: Fremdverstehen u. Angst (1993);
 
Kulturthema Fremdheit, hg. v. A. Wierlacher (1993);
 P. Pedersen: The five stages of culture shock. Critical incidents around the world (Westport, Conn., 1995);
 C. Chiellino: Am Ufer der Fremde. Lit. u. Arbeitsmigration 1870-1991 (1995);
 W. Wagner: K. Deutschland (1996).

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Kul|tur|schock, der (Soziol.): (beim unmittelbaren Kontakt mit einer fremden Kultur) schreckhaftes Erleben der Andersartigkeit der durch die fremde Kultur erlebbaren Realität.

Universal-Lexikon. 2012.

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